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16. Juni 2014 1 16 /06 /Juni /2014 14:18

Sup zu Austritt 

Sehr geehrter Herr Jacob,

Ihren Brief, in dem Sie Ihren Austritt aus der Evangelischen Kirche mitteilen, habe ich mit Betroffenheit gelesen. Ihre Entscheidung kann ich in Anbetracht der leidvollen Erfahrungen, die Sie mit Mitarbeitenden der Diakonie und der Ev. Kirche gemacht haben, sehr gut nachvollziehen.

Leider hatte ich bisher keine Kenntnis von Ihrer Geschichte und der des Jo- hanna-Helenen-Heims. Wahrscheinlich haben Sie sich in der Vergangenheit richtigerweise an den Ev. Kirchenkreis Hagen gewandt, zu dem die Stiftung Volmarstein und das Johanna-Helenen-Heim kirchlicherseits gehören. Daher erlaube ich mir, Ihren Brief informationshalber an die neue Superintendentin des Ev. Kirchenkreises Hagen, Pfarrerin Verena Schmidt, weiterzuleiten.

Selbstverständlich bedaure ich sehr, dass wir Sie als Gemeindeglied unserer Kirchengemeinde in Wengern verlieren.

Für Ihren weiteren Lebensweg wünsche ich Ihnen, dass Sie trotz der schmerzlichen Erfahrungen Gottes liebevolle Zuwendung erleben. So wünsche ich Ihnen Gottes Begleitung und seinen Segen.

Stellungnahme

16. Juni 2014

Herrn Superintendent

Ingo Neserke

Wideystraße 24

58452 Witten

Fax: 02302/589198

Email: superintendentur@kirche-hawi.de (zum Anklicken der Links)

Mein Austritt aus der Evangelischen Kirche – Ihr Schreiben vom 10. Juni 2014

Sehr geehrter Herr Neserke,

zunächst danke ich Ihnen sehr herzlich für Ihre umgehende Antwort! In der Regel wartet man einige Monate und muß dann sogar Antworten anmahnen, wenn es um das Thema „Verbrechen an Heimkindern“ geht. Diesbezüglich bleiben die Verantwortlichen gern in Deckung.

Mein Schreiben ging mit gleichem Inhalt auch an den Ratsvorsitzenden der EKD, das Diakonische Werk, Frau Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, die Evangelische Stiftung Volmarstein und unseren Gemeindepfarrer Uli Mörchen. Mir liegt viel daran, auch Ihnen zu verdeutlichen, daß meine persönlichen Erfahrungen in einem Heim für behinderte Kinder keine Rolle spielen und ich auch keine Anträge auf irgendwelche Entschädigungsleistungen stellen werde. Ich vertrete die Interessen behinderter ehemaliger Heimkinder der damaligen Orthopädischen Anstalten Volmarstein. Unsere Arbeitsgruppe bietet allerdings auch behinderten Opfern anderer Einrichtungen an, ihr Sprachrohr zu sein. Daher auch mein Erwiderungsschreiben unter unserem Gruppennamen.

Es ist erschütternd, daß offenbar bis zu den Superintendenten noch nicht durchgedrungen ist, daß in den Nachkriegsjahrzehnten bis Anfang der 80er Jahre fast 1.000.000 junge Menschen in Einrichtungen der  Erziehungshilfe und Behindertenhilfe, sowie in die Psychiatrie Zwangseingewiesene Opfer zahlreicher Verbrechen wurden. Es gibt wohl kein Verbrechen, das überhaupt nicht begangen wurde. Diese Kinder und Jugendlichen wurden überwiegend physisch und psychisch mißhandelt, mußten teilweise auch sexuelle Gewalt erdulden. Die meisten Opfer gehen auf die Konten der großen Kirchen. Der „Runde Tisch Heimerziehung“ hat etwa 70% der Geschädigten ermittelt. Darum haben diese beiden Kirchen, so also auch Ihre, unermeßliche Schuld auf sich geladen. Dennoch weigern sie sich, ihren Opfern eine echte Wiedergutmachung zu bieten.

Der Deutsche Bundestag hat den „Runden Tisch Heimerziehung“ im Jahre 2006 installiert. Tischvorsitzende war Ihre Kollegin, die Theologin Antje Vollmer, ehemalige Vizepräsidentin des Bundestages und Mitglied der Grünen. Frau Vollmer hat alles unternommen, um Schadensbegrenzung zu erreichen. Der Begriff „Zwangsarbeit“ im Zusammenhang mit der Zwangsarbeit vieler hunderttausender Heimkinder wurde schlichtweg umdefiniert und sie predigte von vornherein, daß eventuelle Entschädigungsleistungen nicht höher liegen dürften, als die an jüdische Zwangsarbeiter geleisteten. Selbst dabei hat sie noch Fakten eines Rechtsanwaltes unter den Tisch fallen lassen, der sehr wohl Entschädigungen im zweistelligen Tausenderbereich und monatliche Rentenleistungen erstritten hatte. Prof. Manfred Kappeler geht in einem Vortrag auf den Gesamtkomplex ein:

http://helmutjacob.over-blog.de/article-prof-dr-manfred-kappeler-anvertraut-und-ausgeliefert-kinder-und-jugendliche-in-der-heimerziehung-123877645.html

Diese Offerte der Frau Vollmer griffen die Vertreter Ihrer und der Katholischen Kirche dankbar auf. Aber, ich will Ihnen hier nicht die ganze Tragödie des „Runden Tisches Heimerziehung“ auftischen. Unten angefügt einige Links dazu.

Erschütternd ist auch das Verhalten vieler tausender evangelischer und katholischer Pfarrer. Unser Gemeindepfarrer beispielsweise, den ich aufforderte, die Interessen der Opfer seiner Nachbargemeinde in Volmarstein zu vertreten, hat mich mit einem Brief abgewimmelt, der ein Beispiel für die Feigheit mancher Pfarrer ist. Zitatauswahl: „In der Diskussion um die ‚Heimkinder’ ... bin ich nicht sehr informiert. / Dazu gibt es überregionale Beauftragte, ... / Dass die Gemeinden in Wetter sich bei diesem Thema nicht engagieren, mögen Sie verzeihen, aber wir sind alle kleine Gemeinden, die kaum ihre eigenen Sachen geregelt kriegen.“ Bei letztzitierter Formulierung möchte man vor Rührung und Mitleid weinen. Aber es geht weiter: „Eine Kampagne, wie Sie sie beschreiben, als Pfarrerschaft Protest zu formulieren, halte ich für schwierig. Dazu fehlt uns zuviel: Information, Zeit, persönliche Betroffenheit, Einigkeit.“ Die beiden letzten Begriffe (persönliche Betroffenheit, fehlende Einigkeit), sehr geehrter Herr Superintendent, müssten auch Sie nachdenklich stimmen.

Und weil man nichts weiß, braucht man auch nichts zu unternehmen.

Drei theologische Felsen in der Brandung sind mir aus acht Jahren Aufarbeitung bekannt: Zwei Diakone, die damals als Praktikanten in Volmarstein arbeiteten und heute zu unserer Arbeitsgruppe gehören, und Ihr Kollege Dipl.-Theologe Dierk Schäfer aus Bad Boll. Dies sind offensichtlich die einzigen Kirchenvertreter, die sich nicht verstecken. Im Gegenteil: Dierk Schäfer betreibt inzwischen einen großen Blog mit Info’s zum Thema „Heimkinder“ und berät diese auch von Fall zu Fall. Er fordert das, was die Heimopfer auch erwarten und was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Eine wirkliche Entschädigung.

Ihre Kirche hat Spuren der Verwüstung an Kinderseelen und Kinderkörpern hinterlassen. Sie hat komplette Leben zerstört, metaphorisch ausgedrückt: zu Schrott gefahren. Statt diesen Schrott zu reparieren, bietet sie lediglich Geld für einen neuen Seitenspiegel an.

 Mit freundlichen Grüßen

i.A. Helmut Jacob

Weitere Info’s:

http://helmutjacob.over-blog.de/article-nix-horen-nix-sehen-nix-mutig-schreiben-die-antwort-des-pastors-91066287.html

http://helmutjacob.over-blog.de

http://dierkschaefer.wordpress.com

http://gewalt-im-jhh.de

http://www.gewalt-im-jhh.de/hp2/index.html

Bezug auf meine Begründung zum Austritt:

www.helmutjacob.over-blog.de/article-die-kirche-die-sie-reprasentieren-hat-hilflose-geschopfe-gottes-zu-opfern-gemacht-austrittsbe-123811981.html

Dazu auch:

Affen mit Baeffchen

Heimkinder, Heimopfer, Evangelische Stiftung Volmarstein, Evangelische Kirche Wetter-Wengern, Superintendent Hattingen, Evangelische Kirche, Diakonie, Runder Tisch Heimerziehung, Antje Vollmer, Gewalt, Sexueller Missbrauch, behinderte Kinder

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